Wie ich keine Yogalehrerin wurde

Ich darf dich ins Jahr 2003 mitnehmen. Damals war ich fast schon mit meiner Yoga Ausbildung fertig, als mein Yogalehrer mich bat für ihn einzuspringen.

Bereit fühlte ich mich ganz und gar nicht, doch da er es mir zutraute, hab ich zugestimmt.

Stell dir vor, es war eine Yogaklasse mit über 60 Leuten und ich super aufgeregt mitten drin. Klar hatte ich mich gut vorbereitet, aber wie grundsätzlich mein Debut meine ganze Zukunft beeinflussen würde, konnte ich nicht ahnen. Als ich begann die Klasse zu unterrichten, machte ich alles so, wie ich es gelernt hatte…Matte vor die Klasse plazieren, die Bewegungen vorzeigen und in Stichworten erklären, was zu tun war. Doch plötzlich wurde mir klar: IRGENDETWAS STIMMT NICHT.

Stell dir vor, es war eine Yogaklasse mit über 60 Leuten und ich super aufgeregt mitten drin. Klar hatte ich mich gut vorbereitet, aber wie grundsätzlich mein Debut meine ganze Zukunft beeinflussen würde, konnte ich nicht ahnen.

Der Großteil der Gruppe hatte keine freie Sicht auf mich und begann in allen möglichen Haltungen den Kopf zu drehen oder von der Matte zu krabbeln, um an den vorderen Reihen vorbei zu gucken. Naja, flow geht anders.

Das spornte mich an, genauer zu erklären und durch die Bewegungen zu führen. Das funktionierte viel besser für alle. Doch dann fielen mir einige Dinge auf: Schultern voller Spannung, ein Nacken, der so gern mehr Raum hätte, mehrere Wirbelsäulen, die auf mehr Unterstützung der Bauchkraft hofften. Ich sah, wie einige in der Gruppe komplett abwesend waren und gar nicht spürten, was sie taten. Andere wiederum waren so auf mich konzentriert im Versuch mir die Bewegungen nachzumachen, dass sie kaum bei sich waren und die eigene Praxis nicht so richtig genossen.

All diese Häppchen an Information ließen nur einen Schluss zu: Ich kann das nicht machen. Nicht so.

Spontan ließ ich das Vorzeigen sein und wanderte mitten hinein in die Menge an Menschen. Ich konnte einfach nicht vorne bleiben und weiter vorzeigen. Ich spürte, ich muss mich ganz anders mit der Gruppe verbinden und es war mir ein großes Anliegen, alle so zu begleiten, dass sie sich voll und ganz auf die eine Person konzentrieren können, wegen der sie zur Klasse gekommen sind: sie selbst.

Sämtliche Improvisationskünste waren gefordert, um spontan rein verbal, Schritt für Schritt durch die Klasse zu begleiten. Das war nicht leicht, weil ich gar nie gelernt hatte, jedes Detail eindeutig und klar zu beschreiben. Dennoch blieb ich dabei und beschrieb jeden Schritt, jede Armposition auf verschiedenste Art und Weise um sicher zu gehen, dass alle wussten, was ich meinte. Was passierte? Alle begannen, sich auf sich selbst zu konzentrieren und fühlten endlich die Dehnungen, die Kraft und die Entspannung im eigenen Körper. Es war toll. So weit, so gut.

Dann kam eine Balancegeschichte und einige hatten Schwierigkeiten und fielen raus – wie wir alle. Die Reaktionen waren Ärger und Frustration. Also bat ich ihnen spontan eine andere Möglichkeit, darauf zu reagieren: Ich schlug vor, in dieser Herausforderung zu üben, einen klaren Kopf zu bewahren und statt sich zu ärgern, einfach mal zu lächeln und zu entspannen. Ganz logisch betrachtet, sind negative Emotionen einfach nicht hilfreich: das Halten der Balance wird nicht einfach und es macht einfach auch gar keine Freude, sie zu empfinden. In meiner allerersten Klasse tauchten spontan und völlig überraschend alle essentiellen Bestandteile des heutigen Yuna auf: das Training einer konstruktiven Geisteshaltung in den Bewegungen und das verbale Anleiten, um für alle da zu sein und den Fokus auf sich selbst zu ermöglichen.

Viele Jahre später haben Tom und ich dieses Mindset-Training „Space“ genannt. Es fühlte sich passend an, da man ja Raum weder sehen noch berühren kann und dennoch ist er überall und essentiell und so durchdringt Space jede Heaven und Earth Klasse und den Geist zu trainieren ist essentiell, um ein glückliches Leben zu erschaffen. Hier kannst du mehr über unsere Klassen erfahren…

Direkt nach der Klasse kam die große Überraschung: Ich bekam positives Feedback! Die Menschen erzählten mir, dass sie noch nie zuvor so bei sich gewesen waren. Sie fühlten sich entspannt, frisch und klar und wollten wissen, wo sie meine Klassen gehen konnten. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Ich war komplett von den Socken.

Tom holte mich danach ab und ich erzählte ganz aufgeregt, was ich erlebt hatte. Uns war klar, dass es unsere Aufgabe war, eine völlig neue Art des Unterrichtens auszuarbeiten: rein verbale Anleitung und die Bewegungen in Verbindung mit Geistestraining.

Das war ein langer Prozess, der mich oft mitten in der Nacht weckte, weil ich laufend nach den ein-eindeutigsten, klarsten, positivsten Worten suchte, alles zu beschreiben. Wie wundervoll, dass die Arbeit und schlaflosen Nächte Früchte trugen.

Vorteile von verbaler Anleitung für die Gruppe

Rein verbal anzuleiten hat den Riesenvorteil, dass alle in der Gruppe (nicht nur die erste Reihe) ganz leicht und entspannt mitmachen können. Jeder Platz im Raum ist gleich gut.

Weiters können sich alle ganz auf sich selbst konzentrieren, statt auf eine/n Lehrer/in zu gucken und nachzumachen, was gezeigt wird. Der Fokus auf sich selbst beinhaltet weitere schöne Aspekte: kein Vergleichen der eigenen Flexibilität/Kraft mit einer Lehrperson oder anderen in der Gruppe, kein Risiko sich zu verletzen, kein merkwürdiges Drehen des Kopfes um zum/zur Lehrer/in zu gucken und dadurch machen alle die Bewegungen auf ihre eigene Art, statt jemand anderen zu kopieren.

Durch die schrittweise, detailreiche Beschreibung wird ein tiefer Zustand von Achtsamkeit möglich statt automatisch von Körperhaltung zu Körperhaltung (vom Hund geh in die Kobra usw.) zu gehen. So können alle ganz frei von Gewohnheit und dem „So-mache-ich-das-immer“ Dingens sein und in jedem Augenblick eine bewusste, auf den Moment abgestimmte Entscheidung treffen und die Praxis auf das abstimmen, was da ist – sind wir müde muss die Praxis anders sein, als wenn wir voller Energie sind.

Vorteile von verbaler Anleitung für Guides

Die verbale Anleitung birgt für alle Vorteile; auch für die Guides selbst. Als Guide brauchst du nicht jeden Tag super fit und flexibel sein und deiner Gruppe beweisen, wie perfekt du die Haltungen machst.

Du musst nicht gleichzeitig so halb für die Gruppe da sein, während du selbst die Haltungen machst. Statt dessen kannst du alle sehen (nicht nur die erste Reihe), dich mit allen verbinden und zu einzelnen Menschen hingehen, um noch individuellere Vorschläge zu geben.

Rein mit der Stimme zu begleiten, lässt das Körperliche und das Äußere komplett in den Hintergrund gleiten.

Du kannst Yuna weitergeben, ganz egal was du körperlich mitbringst (ja, auch im Rollstuhl oder mit anderen körperlichen Einschränkungen kannst du Guide sein), denn du bist kein/e Vorturner/in auf einer Bühne.

Als Guide inspirierst du deine Gruppe, über den Körper und jeglichen Wettbewerb hinauszuwachsen und einfach mal bei sich zu sein und zu genießen.

Das Wegfallen eines Bildes (das Vorzeigen) gibt allen in der Gruppe den Raum, die Praxis auf ihre eigene Art zu machen – ganz so wie sie ihr Leben leben. Statt Namen aufzusagen (geht in den Chaturanga, einatmen Kobra, ausatmen Hund) – die dann gerne mal recht mechanisch ausgeführt werden – beschreibst du Details, die man beim Vorzeigen  gar nicht sieht und vermittelst dadurch eine Achtsamkeit und Wachheit, die jede Bewegung in eine Meditation verwandelt.

LehrerIn vs. Guide

Begleite ich durch eine Klasse, bin ich keine Lehrerin und ganz sicher kein Guru. Ich glaube nicht mehr zu wissen oder fortgeschrittener zu sein, als meine Gruppe. Ich stelle mich nicht auf eine imaginäre Bühne und zeig vor wie’s geht.

Statt dessen bin ich Seite an Seite mit meinen Gruppen. Ich biete Vorschläge an und ermutige, sich selbst (wieder) zu vertrauen.

Ich bin zu 100% für alle da und im Herzen mit allen verbunden. Meine Aufgabe dabei ist, alle in ihrer Einmaligkeit zu unterstützen. Niemand soll einfach tun was ich sage, sondern es geht darum, bei sich zu sein und wieder auf die eigene Stimme des Herzens zu hören.

Es ist etwas ganz Besonderes dabei sein zu dürfen, wenn Menschen aufleuchten und sich so richtig wohl fühlen in ihrer Haut, weil alle zwar dieselben Bewegungen machen, doch niemand macht sie gleich. So wie im Leben auch tun wir alle dasselbe (leben), doch auf einmalige Art und Weise.

Was ist ein Guide? Wenn du eine neue Stadt erkunden möchtest, nimmst du dir einen Guide und lässt sie/ihn alles organisieren, planen, er/sie wird dich auf Sehenswürdigkeiten aufmerksam machen, dir versteckte Orte zeigen, die nur Ortskundige kennen und so kannst du entspannen und einfach genießen.

Das mach ich in den Klassen. Ich bin ein Guide, keine Yogalehrerin. Tatsächlich lerne ich von meinen Gruppen genauso viel wie sie von mir lernen. Das Leben ist mein und unser aller Lehrer.


Willst du gerne Yuna Guide werden? Hier findest du alle Infos zum meiner Ausbildung. Du lernst, Yang- und Yin-orientierte Klassen rein verbal zu unterrichten, an verschiedenste Menschen und Anliegen anzupassen. Entdecke dein ganzes Potenzial und profitiere von meiner 17-jährigen Erfahrung in der Arbeit mit tausenden Menschen.

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Foto von Tom Freiherz.